Stress kennen wir alle.
Es ist ein Phänomen unserer Zeit, dass Stress in allen Lebenslagen schon fast zum guten Ton gehört.
Meine Telefongespräche mit Freundinnen beginnen meist mit: „Ich hab so einen Stress. Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht.“
Dann reden wir über all die Stressoren, die uns belasten, spüren etwas Erleichterung durch das Aussprechen mit einem lieben Menschen, ändern aber meist nichts an unserer Situation.
Andererseits ertappe ich mich immer wieder dabei, mich schlecht zu fühlen, wenn ich mal nicht gestresst bin. Dann habe ich ein schlechtes Gewissen meinem gestressten Umfeld gegenüber und traue mich kaum zuzugeben, dass ich eigentlich recht entspannt bin und mir genügend Pausen gönne.
Denn ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ist nur, wer auch gestresst ist.
Kennst du diesen Glaubenssatz auch?
Ich trage ihn schon mein ganzes Leben mit mir herum und habe nun beschlossen, ihn zu verändern.
Für hochsensible Menschen sind Dauerstress, Daueranspannung und Dauerüberforderung Gift.
Natürlich geht es nicht darum, nichts mehr leisten zu wollen und nur noch in einer Blase der Entspannung zu schwimmen. Jedoch ist es wichtig, insbesondere für hochsensible Menschen, eine gesunde Balance zwischen Spannung (Stress) und Entspannung (Regeneration) zu finden.
Diese gesunde Balance ist gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. Daher habe ich mich näher mit dem Thema Stress, seinen Auswirkungen und möglichen Lösungsansätzen, aus der Sicht des Ayurveda, dem Yoga und der Psychologie, beschäftigt.
Ich wünsche dir viele neue Erkenntnisse beim Lesen und Umsetzen.
Vom Stress und seinen Auswirkungen
Wie gestresst bist du wirklich?
Der Begründer der Stressforschung Hans Selye definierte Stress als
„eine körperliche und psychische Reaktion auf eine Situation, die als nicht bewältigbar wahrgenommen wird.“
Er führte Versuche an Ratten durch und erkannte, dass unterschiedliche spezifische und unspezifische Reize, wie Gifte, Kälte/Hitze oder körperliche Anstrengung, dauerhafte körperliche Veränderungen zur Folge hatten. Den Begriff „Stress“ entlehnte er aus der Physik, genauer der Materialkunde. Stress bezeichnet dort die Veränderung eines Materials aufgrund von äußeren Einflüssen.
In einer akuten Stress-Situation läuft ein automatisches Krisen-Programm in unserem Körper ab.
Der Hypothalamus sendet an die Hypophyse ein Gefahren-Signal. Diese aktiviert sofort unser autonomes Nervensystem, genauer: den Sympathikus, unseren Stress-Nerv.
Dieser ist dafür zuständig, dass sich unser Körper schnellstmöglich auf eine Gefahren-Situation vorbereitet: Adrenalin & Noradrenalin werden ausgeschüttet, unsere Muskeln, das Herz, das Gehirn und die Lungen werden besser durchblutet, wir atmen schneller, um unseren Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen und sind voll auf die Gefahrensituation fokussiert. Diese Vorgänge bedeuten eine enorme Anstrengung für unseren Körper.
Wir sind in einer akuten Alarmbereitschaft und extrem angespannt.
Ist die Gefahr vorbei, wird unser Parasympathikus aktiviert – der Gegenspieler des Sympathikus. Dieser „Ruhe-Nerv“ beginnt nun damit, unsere Muskeln wieder zu entspannen, die Verdauung in Gang zu bringen und die Durchblutung zu normalisieren.
Im Parasympathikus-Modus können wir uns entspannen, verdauen, uns fortpflanzen und ruhig schlafen. Dies ist nicht oder nur erschwert möglich, wenn der Sympathikus aktiv ist, da diese Vorgänge in einer Gefahrensituation völlig unwichtig werden.
Dieses Überlebensprogramm ist eine geniale Reaktion unseres Körpers und kann durch die anschließend folgende Entspannung vollständig kompensiert werden. Stressige Phasen sollten möglichst kurz andauern und so schnell wie möglich wieder in eine Entspannungsphase übergehen. Nur dann entstehen keine negativen gesundheitlichen Folgen.
Und hier liegt das Problem: Viele von uns leiden unter Dauerstress.
Ein Stress-Reiz folgt dem anderen und unser Körper hat zwischendurch viel zu wenig Zeit, sich zu erholen. Im Stressmodus sendet die Hypophyse den Befehl an unsere Nebennierenrinde Cortisol auszuschütten. Dadurch erhöht sich unser Blutzuckerspiegel, unser Immunsystem wird unterdrückt und wir können nicht mehr richtig schlafen.
Erst in der Entspannung sinkt unser Cortisolspiegel wieder, bleibt diese aus, bleibt auch unser Cortisol-Spiegel hoch. Stresserkrankungen sind die Folge.
Die häufigsten körperlichen Anzeichen von Dauer-Stress sind:
Schlafstörungen
Verdauungsbeschwerden
Bluthochdruck
Spannungskopfschmerzen/Migräne
Rückenschmerzen
Tinnitus/Hörsturz
Depression
Erschöpfung uvm
Positiver Stress ist doch gut, oder...
...doch nicht?
Der Begründer der Stressforschung, Hans Selye, unterschied negativen Stress (Distress) von positivem Stress (Eustress).
Demzufolge sind Anforderungen, Reize und Situationen, die wir als negativ wahrnehmen, als Distress zu bezeichnen. Stufen wir bestimmte Stresssituation allerdings als positiv ein (ein extremes Beispiel wäre hier ein Fallschirmsprung) so nennt man das Eustress.
Dr.med. Weidinger schreibt in seinem Buch „Frei von Stress durch die Heilung der Mitte“, dass positiver Stress sogar der gefährlichste Stress ist. Warum ist das so?
Wir erleben positiven Stress nicht als unangenehm und nehmen daher in Kauf, immer wieder (positiven) Stressoren ausgesetzt zu sein. Nur unterscheidet unser Körper nicht zwischen positivem und negativem Stress. Er setzt die oben beschriebene Stress-Kaskade in beiden Fällen in Bewegung und unser System steht so dauernd unter Strom.
Befinden wir uns im Eustress, so ist unser Körper gestresst und wir bewerten das auch noch positiv. Dann geht es oft schnell und wir übersehen völlig, dass wir bereits stark von chronischen Stresssymptomen belastet sind.
Wir befinden uns in einem Dauerspannungszustand, der eine anschließende Entspannung kaum mehr möglich macht. Daher ist auch bei positivem Stress das Augenmerk auf eine anschließende Entspannung enorm wichtig.
Die Dosis macht das Gift. Finden wir eine gesunde Balance zwischen stressigen Phasen und Phasen der Entspannung, wird auch unser Körper regelmäßig in den Ruhemodus wechseln und körperliche Beschwerden treten erst gar nicht ein.
Aber nun genug der Theorie. Was kannst du konkret tun, um in eine gesunde Balance zwischen Stress und Regeneration zu kommen?
3 Konkrete Tipps für einen gesunden Umgang mit Stress
Wie du von der Anspannung wieder in die Entspannung kommst
Im Yoga und Ayurveda finden sich viele nützliche Hinweise darauf, wie wir unseren Alltag so weit in Balance bringen können, dass der Spagat zwischen Anspannung und Entspannung gelingt.
Denn es geht im Grunde immer um Balance – kein starres Gleichgewicht – sondern eine dynamische, sich ausgleichende Bewegung zwischen stressigen Phasen und Ruhezeiten. Unser Körper ist ein Wunderwerk und du kommst spielend mit Anstrengung klar, wenn er gesund ist und sich auch wieder entspannen darf.
Hier liegt jedoch der Knackpunkt: Wir können uns oft gar nicht mehr richtig entspannen, weil wir durch chronischen Stress und Reizüberflutung in einen Dauerspannungszustand geraten sind.
Sollte das bei dir, wie bei vielen anderen, bereits der Fall sein, dann probiere folgende Tipps aus, um deinen Körper & Geist wieder langsam in einen entspannten Zustand zu bringen.
Tipp Nr. 1 - Setze dich mit deinen Stressoren auseinander
Weißt du eigentlich, was genau dich stresst? Ist es die Arbeit, deine Beziehung oder der Streit mit dem Nachbarn?
Oder kommt der Stress gar nicht so sehr von Außen, sondern aus deinem Inneren? Sind es Ängste, Sorgen oder Grübeleien, die deinen Körper und Geist immer wieder in Anspannung bringen?
Es ist sehr hilfreich, genau zu wissen, was dich in Stress versetzt. Um das herauszufinden, schreibe eine Liste mit Dingen, die dich belasten - sowohl im Außen als auch im Inneren - und sortiere sie nach Schweregrad.
So bekommst du einen Überblick über deine aktuellen Stressoren und kannst beginnen, dich mit ihnen auseinanderzusetzen. Folgende Fragen solltest du dir stellen:
Frage 1: Kann ich die Situation verändern?
Wenn du die Situation verändern möchtest, kannst du den Stressor verändern, indem du beispielsweise Kompromisse eingehst, oder du vermeidest den Stressor, indem du klare Grenzen setzt.
Ein Beispiel wäre hier die Kollegin, die dir ständig neue Aufträge zuschiebt. Das hohe Arbeitspensum, das dadurch entsteht, belastet dich. Du kannst also, wenn du diesen Stressor vermeiden möchtest, deiner Kollegin klar sagen, dass du vorerst keine Aufträge mehr annehmen wirst.
Frage 2: Kann ich meine Reaktion darauf verändern?
Möchtest du deine Reaktion auf den Stressor verändern, so kannst du dich an den Stressor anpassen, indem du dich beispielsweise auf das große Ganze fokussierst oder deinen Blickwinkel veränderst. Eine weiter Möglichkeit wäre, den Stressor zu akzeptieren. Du nimmst also bestimmt Dinge, die du nicht verändern kannst, so an, wie sie sind. Du wirst den Unterschied sehr schnell merken.
Wenn du dich bewusst mit deinen Stressoren auseinandersetzt, gewinnst du die Kontrolle über dein Leben zurück und kannst für dich entscheiden, was du tun kannst, um deine Situation zu verbessern. Du kannst deinen Fokus auf die Dinge setzen, die du wirklich brauchst, um deinen Stressoren auf eine gesunde Art und Weise zu begegnen.
Tipp Nr. 2 - Tappe nicht in die Grübelfalle
Oft verstärken wir unser Stressempfinden noch durch persönliches Verhalten, wie Perfektionismus, zu hohe Erwartungen an uns selbst und andere oder negative Gedankenspiralen. Wenn du schon im Vorfeld über eine potentiell schwierige Situation exzessiv nachdenkst, alle Eventualitäten, die passieren können, durchspielst und dir schreckliche Szenarien ausmalst, die vielleicht eintreten können, so tust du dir nichts Gutes.
Dein Körper erlebt dieses negativen Gedankenspiralen als Stress pur und lässt sofort wieder die oben beschriebene Stresskaskade durchlaufen. Du kannst dir sicher vorstellen, was dauerndes Grübeln damit für Folgen haben kann.
Stoppe daher die Grübelfalle. Das geht am einfachsten, wenn du deinen Atem einsetzt.
Erwischst du dich wieder mal dabei, wie du dir ganz genau vorstellst, wie dich dein Chef morgen wegen deines verpatzten Projekts fertig macht, dann sage dir bewusst:
STOPP!
Und richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem.
Atme für 3 Sekunden ein
Atme für 4 Sekunden aus
Atme für 3 Sekunden ein
Atme für 5 Sekunden aus
Atme für 3 Sekunden ein
Atme für 6 Sekunden aus
Atme für 3 Sekunden ein
Atme für 6 Sekunden aus
Bleibe so lange bei einer Atmung von 3:6 bis du dich beruhigt hast und deine Gedanken vorübergezogen sind.
Diese Atemtechnik hilft dir dabei, vom Kopf in den Körper zu kommen und die Grübelfalle zu verlassen. Denn der Körper und dein Atem sind dein Anker, deine Erdung, wenn du von deinen Gedanken überrollt wirst und das Gefühl hast, nicht mehr klar denken zu können.
Tipp Nr. 3 - Praktiziere Yoga
Das musste ja jetzt kommen Du weißt ja, ich liebe Yoga. Yoga hat mich gerettet (das kannst du HIER nachlesen). Und Yoga hilft wirklich, wenn du die Balance zwischen Anspannung und Entspannung einfach nicht mehr finden kannst.
Wichtig ist hierbei vor allem, dass du in solchen Phasen deines Lebens, nicht nur entspannende Yoga-Stile (wie zum Beispiel Yin Yoga) praktizierst, sondern sowohl in die ANspannung, als auch in die ENTspannung gehst.
Das bedeutet, dass einem etwas anstrengenderen Yoga-Flow, ein entspannendes Nachspüren bzw. Asana folgen sollte. Dann darf es wieder etwas anstrengender werden und dann wieder entspannter.
Dein Körper lernt dadurch, sich nach einer Anstrengung bewusst zu erholen. Und bewusst, heißt wirklich bewusst. Die entspannenden Asanas dürfen dann wirklich achtsam praktiziert werden, mit Fokus auf den Atem und einer laaaaangen Ausatmung.
WICHTIG: Solltest du schon sehr erschöpft und nahe am Burn Out sein, so sind diese Übungen nicht das richtige für dich. Sprich am besten mit deinem Arzt des Vertrauens, welche Yogaübungen für dich in dieser Phase passend sind.
Hier ein Beispiel für eine AN- und ENTspannende Yoga-Abfolge:
Beginne im Kind (Balasana) und komme mit der Einatmung in den Vierfüßlerstand (Bharmanasana). Lasse bewusst die Wirbelsäule lang werden. Ausatmend schiebe dein Becken in den herabschauenden Hund (Adho Mukha Svanasana), genieße die Streckung im Rücken und komme einatmend in den nach oben schauenden Hund (Urdhva Mukha Svanasana). Ausatmend schiebe dich zurück in den herabschauenden Hund, von hier mit der Einatmung in den Vierfüßler und ausatmend kommst du zurück ins Kind.
Diesen Flow kannst du einige Male im Rhythmus deines Atems wiederholen, bis du das Gefühl hast, dass es genug ist. Dann bleibst du im Kind, entspannst bewusst deinen ganzen Körper und atmest tief in den Bauch. Bleibe hier so lange, bis du dich völlig entspannt fühlst.
Fazit
In unserer schnelllebigen Zeit ist ein bewusster Umgang mit Stress ein absolutes Muss. Denn sind wir erst in der Stress-Spirale gefangen und befinden uns in einem chronischen Stressverhalten, wird es immer schwieriger, dieser Spirale zu entkommen.
Umso wichtiger ist es daher, dein persönliches Stressverhalten bewusst zu erforschen und deinen Körper und Geist regelmäßig von der Anspannung in die Entspannung zu bringen. Es gibt zahlreiche Tools, die dich dabei unterstützen können. Yoga, Meditation und Achtsamkeit sind nur einige davon.
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