Bist du hochsensibel? An diesen Merkmalen erkennst du Hochsensibilität

Alle, Hochsensibilität | 10. August 2022

Mein 20-jähriges Ich während meiner Zeit als Bankangestellte. Ein langer Arbeitstag im Großraumbüro geht zu Ende. Ich packe meine Sachen und freue mich schon auf mein gemütliches Wohnzimmer, eine Tasse Tee und das neue Buch, das ich letztens beim Stöbern in der Buchhandlung entdeckt habe. Mir wird richtig warm ums Herz beim Gedanken an einen gemütlichen Abend zu Hause. „Machts gut ihr Lieben!“ rufe ich meinen Arbeitskolleginnen noch zu und will schon zur Tür hinaus. Da kommt der Satz, der mir jedes Mal Schweißtropfen auf die Stirn treibt: „Claudia, wir gehen noch alle auf einen Drink ins Stammlokal. Kommst du mit?“

Oje, es ist wieder so weit. Ich mag meine Arbeitskolleginnen wirklich total. Sie sind supernett und die Zusammenarbeit mit ihnen macht auch Spaß. Doch ich weiß genau, wenn ich jetzt mit meinen Kolleginnen noch einen trinken gehe, werde ich die halbe Nacht wach liegen und mich von einer Seite zur anderen wälzen.

Lange fragte ich mich, warum ich so bin, wie ich bin.

Warum ich mich zum Beispiel auf großen Partys nicht wohlfühle oder nach einem langen Arbeitstag nicht schlafen kann. Die Antwort eröffnete sich mir erst viele Jahre später, als ich durch Zufall auf das Buch „Auf die leise Weise“ von Anne Heintze stieß. Da erkannte ich, dass es völlig normal ist, als introvertierte Person Zeit alleine zu benötigen, weil nur so die Energietanks wieder aufgefüllt werden können. Doch damit nicht genug. Ich erkannte schnell, dass ich nicht nur introvertiert, sondern auch hochsensibel bin. Und mit dieser Erkenntnis eröffnete sich mir eine völlig neue Ebene der Selbstannahme und der Selbstakzeptanz.

Heute habe ich gelernt, dass es darum geht, meine Bedürfnisse gut zu kennen und auch zu kommunizieren. 

Zwar arbeite ich mittlerweile nicht mehr im Großraumbüro, aber trotzdem entstehen noch immer Situationen, von denen ich weiß, sie tun mir nicht gut. Dann heißt es abwägen und gut in mich hineinspüren. Manchmal passt es dann doch mit der Party am Abend, aber meistens wird es das Buch und die heiße Tasse Tee.

Über Introversion und Extraversion bei Hochsensiblen werde ich demnächst einen eigenen Blogartikel schreiben. Doch heute soll es darum gehen, was Hochsensibilität eigentlich ist, wie du erkennst, ob du hochsensibel bist und welche Schritte du sofort für dich umsetzen kannst, um Stress und Überforderung zu vermeiden.

Was ist Hochsensibilität?

Der Begriff Hochsensibilität (HSP – highly sensitive person) wurde von der amerikanischen Psychologin und Psychotherapeutin Elaine N. Aron geprägt. Ihre Forschungen ergaben, dass 15 – 20 % der Menschen Reize intensiver wahrnehmen als andere. Neuere Studien gehen sogar von einem höheren Prozentsatz (30 %) aus. Hochsensibilität ist jedoch weder ein pathologisches Krankheitsbild noch eine Schwäche, die therapiert werden muss, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das es wert ist, näher betrachtet zu werden.

HOCHSENSIBILITÄT UND DIE ERHÖHTE REIZVERARBEITUNG

Klinische Untersuchungen ergaben, dass bei hochsensiblen Menschen die Abschnitte des Gehirns schwächer ausgebildet sind, die für die Dämpfung der Nervenerregung maßgeblich sind. Mittels Magnetresonanztomografie wurde festgestellt, dass bei HSP eine erhöhte Aktivität des Zwischenhirns vorliegt. Thalamus und Hypothalamus sind im Zwischenhirn angesiedelt.

Der Thalamus hat die Funktion eines Filters und entscheidet, welche Informationen zur Großhirnrinde weitergeleitet werden sollen und welche nicht. Bei HSP werden mehr Reize als wichtig eingestuft und somit auch weitergeleitet und ins Bewusstsein gebracht.

Der Hypothalamus bildet das Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems, also jenes Nervensystems, das die Selbstregulation des Körpers steuert. HSP weisen einen erhöhten Cortisolspiegel auf und da Cortisol ein Stresshormon ist, das durch den Hypothalamus angeregt, bei langfristigem Stress ausgeschüttet wird, ist eine höhere Aktivität des Hypothalamus bei HSP wahrscheinlich.

Hochsensibilität gibt es in vielen FAcetten

Hochsensibilität zeigt sich in vielen Facetten, denn jeder Mensch bringt seine ganz eigene Geschichte, seine persönlichen Begabungen und Stärken mit, die sich zusammen mit den hochsensiblen Charaktereigenschaften zu einem Ganzen verbinden. Viele hochsensible Menschen sind sehr empathisch, gefühlvoll und harmonieliebend. Sie können gut zuhören, haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und arbeiten gründlich und verlässlich.

Doch die intensive Reizverarbeitung kann auch zu Problemen führen. Immer öfter berichten hochsensible Menschen von Herausforderungen, wie beispielsweise: erhöhter Stressbelastung durch Reizüberflutung, Nahrungsmittelunverträglichkeiten/Allergien, vermehrtes Rückzugsbedürfnis oder psychosomatische Erkrankungen.

Manchmal fühlen sich hochsensible Menschen andersartig, unverstanden und irgendwie falsch in dieser Welt. Doch Hochsensibilität kann nicht als negativ oder positiv beurteilt werden, sie ist ein Wesensmerkmal, das viele Menschen miteinander teilen. Sie macht einen Teil unseres Charakters aus, gemeinsam mit vielen anderen Facetten unseres Wesens.

Hochsensibilität ist weder gut noch schlecht. Sie ist ein Teil unseres Wesens und darf gelebt werden.

Woran erkennst du Hochsensibilität?

Die renommierte Wissenschaftlerin Elaine Aron bestimmte 4 Indikatoren, die dir helfen zu erkennen, ob du hochsensibel bist: Verarbeitungstiefe, Sinnessensibilität, Übererregbarkeit und emotionale Intensität.

Diese Merkmale können bei jedem Menschen anders ausgeprägt sein und du wirst dich vermutlich nicht in allen wiedererkennen. Doch du kannst das Wissen darüber nutzen, um dich genauer zu beobachten und herauszufinden, ob du hochsensibel bist oder nicht. 

DIE 4 INDIKATOREN DER HOCHSENSIBILITÄT nach ELAINE ARON

Verarbeitungstiefe

Die besondere Verarbeitungstiefe ist ein grundlegendes Merkmal von hochsensiblen Menschen. HSP sind aufmerksame und detaillierte Beobachter. Sie erfassen Situationen in ihrer Tiefe und neigen zu grundlegendem Nachdenken. So benötigen hochsensible Menschen oft mehr Zeit, um auf Fragen zu antworten, da sie die Fragenstellung grundlegend erfassen möchten. Somit ist auch die Entscheidungsfindung oftmals langwierig. Informationen werden sorgfältig ausgewertet und genauestens durchdacht. Auch die Intuition ist stark ausgeprägt, wobei es der Person selbst gar nicht so bewusst sein muss. Außerdem machen sich HSP besonders viele Gedanken über Gott und die Welt, sind oft sozial engagiert und spirituell interessiert.

Sinnessensibilität 

Durch die erhöhte neuronale Verarbeitung von Sinneseindrücken bei hochsensiblen Menschen kommt es zu einer erhöhten Sinnessensibilität. Die optische Wahrnehmung, Geräusche, Gerüche, Geschmack und Berührungen werden sehr intensiv wahrgenommen. HSP nehmen Feinheiten und Nuancen wahr, die anderen Menschen vielleicht verborgen bleiben, sind aber auch in ihrer Toleranz bestimmten Sinneswahrnehmungen gegenüber etwas eingeschränkt.

Übererregbarkeit

Aufgrund der erhöhten Reizverarbeitung sind hochsensible Menschen schneller überreizt und so auch schneller gestresst. Die Gefahr eines chronisch zu hohen Stresslevels und eines drohenden Burn-Outs ist somit höher und sollte nicht unterschätzt werden.

Emotionale Intensität

Hochsensible Menschen können negative und positive Ereignisse besonders stark empfinden. Das unterscheidet sie von traumatisierten Menschen, die oft auf negative Situationen stark reagieren, positive Erlebnisse aber ganz normal empfinden. HSP sind sehr genussfähig, aber auch verletzlich. Unterstützende Angebote, wie psychologische Beratung oder Entspannungstechniken, schlagen gut an und erreichen gute Ergebnisse.

Du weißt nun, welche Indikatoren für Hochsensibilität sprechen. Jetzt kannst du damit beginnen, dich selbst liebevoll zu beobachten und zu erforschen, welche Merkmale auf dich zutreffen und welche nicht. Dieses Bewusstsein für deine eigene Sensibilität ist sehr hilfreich, um dich selbst besser zu verstehen und deine Hochsensibilität anzunehmen und anzuerkennen. 

Gib deiner Hochsensibilität den Raum, den sie braucht!

Nachdem du ein Bewusstsein für deine Hochsensibilität geschaffen hast, kannst du nun damit beginnen deiner Hochsensibilität in deinem Leben Raum zu geben.

Hochsensible Menschen verarbeiten Reize anders und intensiver. Dadurch ist es umso wichtiger, sich die Zeit zu nehmen, diese Reize zu verarbeiten. Ansonsten kann es schnell zu Überforderung und Reizüberflutung kommen, was zu Stresssymptomen führen kann. Vielleicht leidest auch du schon an einem geschwächten Immunsystem, chronischen Muskelverspannungen oder Schlafproblemen.

3 schritte, um aus stress und überforderung auszusteigen

Als hochsensibler Mensch brauchst du genügend Zeit für dich, um die Flut an Reizen, mit der du täglich konfrontiert bist, in Ruhe verarbeiten zu können. Folgende 3 Schritte können dir helfen:

Schritt 1: Verbring so viel Zeit wie möglich in der Natur

Die Natur kann uns tiefe Ruhe und Zufriedenheit schenken. Spätestens nach dem Erscheinen des Buches „Der Biophilia Effekt“ von Clemens Arvay wurde klar, dass ein Spaziergang durch den Wald das Nervensystem beruhigt, was gerade für Hochsensible von großer Bedeutung ist.

Schritt 2: Lege Digital Detox Zeiten ein

Elektromagnetische Wellen, die permanente Ablenkung durch eingehende Mails, Anrufe oder Kurznachrichten oder schnell wechselnde Bilder im Fernsehen oder in Videos können für hochsensible Menschen schnell zu Reizüberflutung führen. Versuche einen Waldspaziergang ganz ohne Handy zu machen oder Zeit einzuplanen, in der du in Ruhe ein Buch liest und dein Handy auf Flugzeugmodus schaltest.

Schritt 3: Mach dir deine größten Stressfaktoren bewusst

Was belastet dich in deinem Alltag am meisten? Ist es die Beziehung zu deinem Partner oder der stressige Arbeitsplatz? Belasten dich Konflikte im familiären Umfeld oder die hohen Anforderungen an dich selbst? Nimm dir Zeit, um dich mit deinen größten Stressquellen vertraut zu machen und dich zu fragen, was du davon verändern kannst und wie. Damit entlastest du dein Nervensystem.

Und das Wichtigste:

Steh zu dir und deiner Feinfühligkeit! Nimm dir die Pausen die du brauchst und versuche dein Leben so zu gestalten, dass du die Vorzüge deiner Hochsensibilität sinnvoll nutzen und genießen kannst. So kommst du in deine feine Kraft und kannst dein volles Potential entfalten. Ich wünsche dir viel Freude dabei! 

ZUM WEITERLESEN

  • Auf die leise Weise. Anne Heintze
  • Sind Sie hochsensibel? Elaine N. Aron
  • Gelassen leben mit Hochsensibilität. Sylivia Harke
  • Zart besaitet. Georg Parlow
  • Der Biophilia Effekt. Clemens Arvay

Weitere Artikel

01/09/2024 Alle, Ayurveda, Jahreskreis, Yoga
Entspannendes Yoga im Herbst und Frühwinter – 4 Übungen für Erdung und Verbundenheit

Lebe-lieber-natürlich Workbook

Hol dir jetzt dein Gratis-Workbook und werde Teil der Sensitive Inspirations Community. Mit regelmäßigen Inspirationen rund um dein kraftvoll feines Leben.

Hinweis: Mein Angebot stellt keinen Ersatz für Psychotherapie, medizinische Beratung/Behandlung oder andere Therapieformen dar; mehr dazu hier.